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Hirzenhain, OT Merkenfritz, Wetteraukreis, im Waldegebiet östl. von Steinberg, nördl. der B 275, weglos, ca. 80 m südl. eines Waldweges im Wald (günstig erreichbar: von der B 275 Merkenfritz-Gedern zweigt ca. 1 km nach dem Abzweig nach Steinberg/ L 3185 ein Weg in nördl. Richtung in das Waldgebiet ab, dem ca. 550 m bis zu einem westl., links, abzweigenden Weg zu folgen ist, der nach ca. 330 m den Bereich des Standortes erreicht), Distrikt 'Wolfshain', Revier 'Glaskopf', Gedenkstein für den von Wilddieben am 15. Juli 1921 erschossenen Hegemeister Heinrich Maul

Maße: (aktuell nicht bekannt), roh belassener Bruchsteinblock aus Sandstein mit geglätteter Inschriftsfläche auf flacher Postamentplatte:                                                                          GEDENKSTEIN / FÜR / HEGEMEISTER / HEINRICH / MAUL / 15. 7. 1921

Hegemeister Maul zum Gedächtnis

Am 15. Juli 1951 jährt sich zum 30. Male der Tag, an dem Hegemeister Maul aus Wenings von einem Wilderer erschossen wurde. Aus einem mir vorliegenden Aktenbericht über jenen schicksalsschweren Tag ist folgendes zu entnehmem:
Der 73-jährige pensionierte Fürstlich Ysenburgische Hegemeister Heinrich Maul hatte 35 Jahre die Försterei Wenings verwaltet. Der Nachfolger war sein Schwiegersohn, Förster Kehm, bei dem der alte Herr nun im Ruhestand wohnte. Trotz seines Alters noch rüstig und dienstfreudig, versah er ohne Auftrag den Forst- und Jagdschutz in dem Revier, das er ein Menschenalter hindurch betreut hatte. Doppelt tragisch erscheint daher das Schicksal, dass er dabei sein Leben lassen musste.
Am genannten Tag war er den ganzen Vormittag im Revier gewesen. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit trat er gegen Abend nochmals einen Reviergang an, mit der Angabe, dass er bald wieder zurückkehren würde. Es scheint, dass er irgendeine Beobachtung gemacht hatte, die ihn bestimmte, nochmals hinauszugehen.
Seine Angehörigen erwarteten in steigender Besorgnis seine Rückkehr und suchten ihn dann mit den Hunden die ganze Nacht, ohne eine Spur von ihm zu finden. Ein junges Mädchen das Vieh weidete, hatte ihn gegen 19 Uhr auf einer Waldwiese am „Wolfshain“ gesehen. Diese Beobachtung gab einen am anderen Morgen zusammengestellten Suchkommando von 40 Personen den einzigen Anhalt. Man fand den Beamten im Distrikt „Wolfshain“ der Gemarkung Merkenfritz, unweit der Kreisstraße Merkenfritz – Gedern, im Revier Glaskopf erschossen auf einem abgerechten, 70 cm breiten Pirschsteig liegend. Die Leiche lag auf dem Rücken, der Uniformrock war aufgeknöpft, auf der linken Brustseite bemerkte man eine Anzahl Schroteinschläge auf dem Hemd. Bei der Tatortbesichtigung fand man unweit des Toten seinen Hut und Stock. Schrot einschläge an den umstehenden Buchenstämmchen in Höhe von 1,25 Meter zeigten, dass der tödliche Schuß aus einer Entfernung von 8 Metern abgegeben worden war. Das aufgefundene Schrotpatronenverschlussplättchen gab Anhalt dafür, dass aus einem Gewehr, Kaliber 16 geschossen wurde. Da man versäumt hatte, den Tatort und seine Umgebung sofort abzusperren, hatten die Suchenden alle anderen Tatspuren vernichtet.

Die Ärzte fanden 18 Schrotkörner im Halse, in der Lunge und im Herzen des Toten. Auf Ermittlung des Täters setzte die Staatsanwaltschaft Gießen eine Belohnung von 10 000 Mark aus, die von der Fürstlich Ysenburg-Birsteinschen Forstverwaltung um weitere 10 000 Mark erhöht wurde. In Verdacht gerieten nacheinander zwei Steinbrucharbeiter, zwei Beamte, und dann zwei bekannte Wilderer, bei denen man Stockflinten und andere Schusswaffen fand. Trotz der ausgesetzten hohen Belohnung schafften die Mitteilungen aus der Bevölkerung und die Nachforschungen der Polizeibeamten keinen Beweis für die Täterschaft der Verdächtigen herbei. Über Beweggrund und Hergang des Verbrechens tauchten alle möglichen Vermutungen auf. War der alte Herr einem Racheakt oder einer verhänglisvollen Verwechslung zum Opfer gefallen? Hatten ihn überraschte Wilderer in der Erregung oder kaltblütig mit Überlegung erschossen? Die Untersuchung dieses eigenartigen Falles, die sich jahrelang hinzog, vermochte keine dieser Fragen zu klären.
Auf Veranlassung des Prinzen Alfons von Ysenburg weilte ein bekannter Spezialist in Förstermordsachen, Herr Kriminaldirektor Busdorf, etwa 1929 noch einmal zwei Tage in der Nähe der Mordstelle. Er hatte bereits 30 Jahre lang mit Leidenschaft und Eifer fast nur Förstermordsachen bearbeitet, berüchtige Massenmörder zur Strecke gebracht und ist insbesondere bekannt geworden, durch die Aufklärung der „Affaire Blum“, die später verfilmt wurde. Mit ihm verbindet mich seit vielen Jahren eine enge Freundschaft. Seine Nachforschungen in dieser Sache waren aber dadurch erschwert, dass inzwischen mehrere Jahre vergangen waren und man auch wenig Lust zeigte, ihm behilflich zu sein. Letzteres vielleicht aus Furcht vor Rache. Eine restlose Aufklärung jener Tat gelang nicht.
An der Stätte des tragischen Geschehens steht ein schlichter Gedenkstein als äußeres Zeichen und zur Erinnerung an ein arbeitsreiches Leben in treuester Pflichterfüllung. Möge der Mörder sich einst vor dem Jüngsten Gericht für seine ruchlose Tat verantworten. Wir aber wollen Hegemeister Maul, dem treuen Sohn seiner Heimat und seines Waldes in unseren Herzen für alle Zeiten ein ehrendes Andenken bewahren.
                                             Karl Ganß, Friedberg (Hessen)
 

Quellangaben: Bildquelle: Urheber: Erhard Müth, Nieder-Seemen, Lit.: 1. Aufsatz von Karl Ganß, Friedberg (Hessen), 3. Otto Busdorf, Wilddieberei und Förstermorde (1. Aufl. 1954) S. 227-228 m. Abb.

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