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Wohl kaum eine andere Stadt an der Weser, abgesehen von Hann. Münden am Beginn der Weser, kann mit einem derartig geschlossen erhaltenem Fachwerk-Ensemble aufwarten wie Rinteln im Lkr. Schaumburg, Niedersachsen. Glücklichen Umständen ist es zu verdanken, dass die Stadt nicht das Schicksal vieler deutschen Altstädte teilen musste, im Bombenhagel am Ende des letzten Krieges zu versinken. Die Ursprünge Rintelns liegen am nördlichen Weserufer, also rechtsseitig der Weser, ca. 500 m westlich der Weserbrücke. Hier ist die Ansiedlung ‘Renthene’, später ‘Oldenrintelen’, um 1150, archäologisch nachgewiesen, die um 1350, im Verlaufe der damaligen verheerenden Pestepidemien aufgegeben wurde. Das ‘neue’ Rinteln wurde 1235 durch Graf Adolf IV. von Holstein-Schaumburg etwa gegenüber am südlichen Weserufer, also linksseitige des Flusses, gegründet. Die Stadt wurde planmäßig angelegt mit drei Haupttoren in der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Die alte Struktur der Straßenverläufe aus der Gründungszeit ist noch heute erkennbar. Drei Magistralen verlaufen geradlinig in Nord-Süd-Ausrichtung, westlich die Weserstraße mit dem Wesertor (nördl. Stadttor, Weserbrücke), die südlich des Marktplatzes als Klosterstraße zum Seetor führt (südl. Stadttor). Östlich von ihr die Enge Straße mit südlicher Verlängerung als Bäckerstraße und weiter östlich die Brennerstraße mit Verängerung Ritterstraße, wo etwa am Übergang die Ostertorstraße zum Ostertor führt (östl. Stadttor). Keines der drei Stadttore ist erhalten geblieben. Diese drei Hauptstraßen sind durch zahlreiche Ost-West-Gassen verbunden, sodass im Grundriss ein einheitlich geprägtes Stadtbild vorliegt. Man könnte sagen ganz in der Art römischer Städteplanung (Verf. frei nach ...wikipedia.org-wiki-Rinteln)   

uni commisse weserstrasse 11 weserstrasse 17 rintelnans4
hinweistafel in situ

Links ehemalige Universitäts-Commisse ‘Zum goldenen Löwen’ (Studentenwohnheim), Weserstrasse 11 (s. u. Universität Rinteln)

Mitte prachtvolles Fachwerkhaus, Weserstrasse 17

Rechts Fachwerkhaus mit Auskragung des oberen Stockwerkes, Enge Straße 15

fachwerkhauser backerstrasse
fachwerkhauser backerstrasse

Fachwerkhäuser in der Brenner- und Bäckerstrasse

kopie lit. h.-j. wolf gesch. d. hexenprozesse  1998

ACADEMIA ERNESTINA RINTELN (Rinteln, Kollegienplatz, zwischen neuem Rathaus und dem Marktplatz, 1876 abgerissen)

Wenig touristisch bekannt ist die Tatsache, dass Rinteln im ausgehenden Mittelalter eine Volluniversität besaß, die als geistiges Zentrum mit besonderem Status führend und richtungsweisend für den gesamten Nordwesten war. Ihre Keimzelle schuf Graf Ernst zu Holstein-Schaumburg, als er im Jahre 1610 im Franziskanerkloster zu Stadthagen das ‘Gymnasium illustre’ gründete, basierend auf einer städtischen Lateinschule, das bereits vier Fakultäten und vollakademischen Unterrichtsbetrieb aufwies. Die neue ‘Alma Mater Ernestina’ (Academia Ernestina) erhielt nach Zahlung einer Kaution von 100 000 Gulden von Graf Ernst an den deutschen Kaiser Ferdinand II. das Promotionsrecht und wurde alsbald in das an der Weser verkehrsgünstigere Rinteln verlegt. In und um das ehemalige katholische Jakobskloster entstand die Rintelner Universität mit obigen Hauptgebäude, das unmittelbar östlich vor der Klosterkirche am Kollegienplatz stand und 1876 abgerissen wurde. Am 17. Juli 1621 erfolgte die feierliche Einweihung.      

kollegienplatz jakobskirche
kopie infotafel lageplan uni rinteln

Um die Mitte des 17. Jahrhunderts galt Rinteln, wie auch das nachbarliche Lemgo, als Hochburg der Hexenverfolgungen im damaligen Deutschland. Vom unbescholtenen Mann, von der ehrbaren Frau bis hin zum alten Mütterlein, war niemand mehr seines Lebens sicher. In der Zeit von 1635 bis 1669 sind 20 Prozesse dokumentiert, die mit dem Tode durch das Feuer endeten, die Dunkelziffer liegt höher, sowie auch die Zahl derer, die im Martyrium der Kerker zu Tode kamen. Neben der Lebendverbrennung erfolgten auch Hinrichtungen durch das Schwert oder am Galgen. Nachweislich betrieb das Rintelner Hochgericht (Gogericht) mindesten zwei Richtstätten, eine Schwertrichtstätte auf dem ‘Heinekamp’ nordöstlich der Stadt, ca. 300 m östlich (östl. der Exter) des Straßenknickes ‘Am Alten Hafen / Am Bären’ in den Weserauen, wo heute eine Steinstele an die letzte öffentliche Hinrichtung im Jahre 1837 erinnert (s. Rubrik Sühnekreuze-Niedersachsen-Rinteln). Ein weiterer Richtplatz ist in älteren Karten mit ‘Galgenkamp’ bezeichnet. Diese Örtlichkeit liegt nordseitig an der auch früher viel frequentierten Altstraße nach Steinbergen, die heutige ‘Konrad-Adenauer-Straße’, im Bereich des derzeitigen Marktkaufgeländes. Der Reisende musste unweigerlich zur Abschreckung unmittelbar am Raben umkrächsten Galgen vorüber, wo die Erhängten oft lange Zeit verblieben (Verf. frei nach 1. ...wikipedia.org-wiki-Rinteln, 2. ...rinteln.de-Historie, 3. Fotokopie Lageplan Hinweistafel vor Ort)   

Beim Kiesabbau um 1910 wurde am Doktorsee westlich von Rinteln ein mit einem großen Eisennagel durchbohrter Frauenschädel aufgefunden, der nackenseitig Schwerthiebspuren aufwies. Ob sich hier eine weitere Rintelner Richtstätte befand, konnte damals nicht geklärt werden (Quelle: m.sn-online.de-Aufsatz von Andreas Schmeiche v. 19. 8. 2014) 

Diese unheilvolle Entwicklung, zumindest im schaumburg-lippischen Gebiet, ging zweifelsfrei von der Rintelner Universität aus. In ihren Mauern werden überregional angefordete Gutachten in Sachen Hexenprozesse erstellt, die durch extrem scharfe Spruchpraxis gezeichnet waren. Im geistigen Hintergrund wütet der ansässige Jurist und Professor für Rechtswissenschaft Hermann Goehausen (*1593, Brakel, +1632, Rinteln), seit 1621 erster Inhaber der hochdotierten Wippermann’schen Familienprofessur. Er publizierte 1631 den nicht von Geistesblitzen zeugenden Processus juridicus contra sagas et veneficos, im Grunde eine Anleitung des Verfahrens mit ‘Unholden’ und ‘Zauberischen Personen’. Ein vergleichbares Werk ist der 1486 von Heinrich Kramer und Jacob Sprenger verfasste ‘Hexenhammer’. Von seinem geistigen Elaborat gehen absehbare negative Wirkungen aus - am 10. Mai 1654 beginnt in Rinteln eine Prozesswelle mit dem Verfahren gegen Frau Hoppenstock, die der Zauberkunst beschuldigt wird. (Verf. frei nach Lit. Hans-Jürgen Wolf, Geschichte der Hexenprozesse, Hamburg 1998, S. 715-721, daraus: Fotokopie Universität Rinteln)  

Die Hexenverfolgungen bzw. Prozesse (Inquisition) und der damit verbundene Justizmord ist ein Werk der katholischen Kirche, rein zur Bereicherung und zur Ausübung von Machtmissbrauch. Damit war auch der weltlichen Gerichtsbarkeit die Grundlage gegeben Prozesse in diese Richtung auszuführen. Diese fürchterlichen ruchlosen Verbrechen an der Menschlichkeit konnten dem Volke nicht verborgen bleiben, bis hin in höchste Kreise regte sich öffentlicher Widerstand zu allen Zeiten dieser dunklen Epoche. Da betritt der Philosoph und Moraltheologe Friedrich Spee (Jesuit, *1591, Kaiserswerth, +1635, Trier) die Bühne der Geschichte und findet merkwürdigerweise im Rintelner Universitätsbuchdrucker Peter Lucius den Mann, der seine Schrift CAUTIO CRIMINALIS im April 1631 anonym ohne Approbation druckt. Ein Werk gegen den Hexenwahn, das speziell in Rinteln wenig fruchtete. Spee’s Klagepunkte richteten sich hauptsächlich gegen die unmenschlichen Praktiken bei den Hexenprozessen, speziell der Anwendung der Folter, worüber er sagt: ‘mit der Folter kann man zu jedem gewünschtem Ergebnis kommen, sie ist abzuschaffen. Richter und Henker quälen die Menschen solange, bis sie gestehen obwohl sie nichts getan haben. Die Richter sind frech und blutgierig. Das Konfiszieren der Hexengüter muss aufhören’ ... (Auszüge)

(Quelle: Verf. frei nach Lit. Hans-Jürgen Wolf, Geschichte der Hexenprozesse, Hamburg 1998, S. 704-710)

Der Verwaltungsreform des Jahres 1809 unter Minister Johannes von Müller fielen die Universitäten Rinteln und Helmstedt zum Opfer; die Alma Ernestina wurde Ostern 1810 geschlossen. Das Hauptgebäude stand bis 1876 leer, dem Jahr seines Abrisses (1. ...wikipedia.org-wiki-Universität Rinteln, 2. ...rinteln.de-Historie)

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